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Arbeitszeugnis anfechten

Arbeitszeugnis anfechten – Wie Sie eine faire Beurteilung einfordern

geprüft von Philipp Franz
Rechtsanwalt für Verbraucherrecht

27. April 2022 um 05:48

Arbeitszeugnisse spielen bei Bewerbungen eine wichtige Rolle. Nach dem Ausscheiden aus einem Unternehmen steht Arbeitnehmern daher ein Arbeitszeugnis zu. Haben sie den Eindruck, dass ihr Zeugnis zu negativ formuliert ist oder nicht der Wahrheit entspricht, können sie ihr Arbeitszeugnis anfechten. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie dabei vorgehen sollten und wann ein Widerspruch gegen Ihr Arbeitszeugnis gute Chancen hat.

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Frau sitzt vor Laptop und hält schlechtes Arbeitszeugnis in der Hand.
Das Wichtigste in Kürze
  • Angestellte haben bei Weggang aus dem Unternehmen oder Vorgesetztenwechsel das Recht auf ein schriftliches und wohlwollend formuliertes Arbeitszeugnis.
  • Wer sein Arbeitszeugnis anfechten möchte, sollte dies schriftlich innerhalb weniger Wochen nach Erhalt des Zeugnisses tun.
  • Wenn Arbeitgeber nicht bereit sind, das Zeugnis wie gewünscht zu verändern, können Arbeitnehmer gegen das Arbeitszeugnis Einspruch einlegen.
  • Im ersten Schritt lohnt es sich für Arbeitnehmer, das Arbeitszeugnis im Rahmen einer kostenlosen Mitgliedschaft im SIEGFRIED CLUB prüfen zu lassen.

Arbeitszeugnis anfechten – Wie sollte ein Arbeitszeugnis aussehen?

Arbeitnehmer haben gemäß § 109 der Gewerbeordnung das Recht auf ein Arbeitszeugnis, wenn sie das Unternehmen verlassen oder ihr Vorgesetzter wechselt. Aber auch arbeitnehmerähnliche Mitarbeitende und freie Mitarbeitende können ein Arbeitszeugnis anfordern.

Meist stellen Arbeitgeber bei Kündigung selbst ein Arbeitszeugnis aus. Sie sind dazu rechtlich aber nicht verpflichtet. Es ist Aufgabe des Arbeitnehmers das Zeugnis aktiv einzufordern (Holschuld). Das ist unbedingt empfehlenswert, um die eigene Berufserfahrung bei zukünftigen Bewerbungen belegen zu können.

Wie umfassend das Zeugnis ausfallen muss, hängt davon ab, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf ein einfaches oder ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hat. Sobald ein Arbeitsverhältnis länger als sechs Wochen besteht, kann der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. Dieses benennt nicht nur die Art der Tätigkeit und die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern beurteilt auch Leistung und Sozialverhalten und ist damit für zukünftige Bewerbungen aussagekräftiger.

Wann können Arbeitnehmer ihr Arbeitszeugnis anfechten?

Frau sitzt in Ablehnungs-Haltung gegenüber von ihrem Chef und diskutiert über Arbeitszeugnis.

Arbeitnehmer haben das Recht auf ein wohlwollendes und wahres Arbeitszeugnis, das bestimmte formale Anforderungen erfüllt. Wenn Arbeitnehmer hier Verbesserungsbedarf sehen, können sie ihr Zeugnis anfechten und vom Arbeitgeber eine Überarbeitung des Dokuments verlangen.

Formale Gründe

Ein Zeugnis muss schriftlich erstellt und mit aktuellem Datum vom Personalverantwortlichen unterzeichnet werden. Jeder Arbeitnehmer darf einen Ausdruck auf sauberem, knitterfreiem Firmenpapier einfordern. Es reicht nicht aus, wenn Unternehmen Zeugnisse per E-Mail versenden.

Fehler in der Tätigkeitsbezeichnung oder Rollenbeschreibung sowie Rechtschreibfehler müssen Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Sie rechtfertigen einen Widerspruch gegen das Arbeitszeugnis.

Arbeitnehmer haben außerdem das Recht, ein individuelles Zeugnis zu erhalten. Wenn sie nachweisen können, dass ihr qualifiziertes Zeugnis von einer Vorlage stammt, legitimiert das einen Einspruch gegen das Arbeitszeugnis. Auch tabellarische Zeugnisse, in denen Leistungen und Sozialverhalten mit Schulnoten beurteilt werden, sind laut Bundesarbeitsgericht nicht zulässig.

Inhaltliche Gründe

Ein Arbeitszeugnis muss nach Gewerbeordnung § 109 „klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.“

Es hat sich eine eigene Zeugnissprache eingebürgert, mit der Arbeitgeber ihre Beurteilung codieren, sodass selbst negative Bewertungen auf den ersten Blick positiv klingen. Das ist rechtlich in Ordnung und nicht zu beanstanden. Hier sollten Arbeitnehmer im Zweifelsfall anwaltlichen Rat einholen, um die Formulierungen im Arbeitszeugnis richtig einzuschätzen.

Arbeitgeber müssen laut Bundesarbeitsgericht begründen, wenn sie ein Arbeitszeugnis ausstellen, das dem Arbeitnehmer – in Schulnoten übertragen – eine Leistung schlechter als Note 3 attestiert. Bescheinigt das Zeugnis bereits eine gute oder sehr gute Leistung, liegt die Argumentationspflicht für Änderungswünsche dagegen beim Arbeitnehmer.

Auf den ersten Blick negative Bewertungen sind rechtlich nicht erlaubt. Wer ein offensichtlich schlechtes Arbeitszeugnis anfechten möchte, hat daher beste Erfolgschancen.

Einige Aussagen dürfen grundsätzlich nicht im Arbeitszeugnis stehen, selbst wenn sie keine negative Bewertung enthalten.

  • Aussagen über Krankheiten
  • Straftaten, wenn sie keinen Arbeitsbezug haben
  • Aussagen über Schwangerschaft und Elternzeit
  • Gewerkschafts- und Betriebsratsmitgliedschaft
  • Parteizugehörigkeiten
  • Nebentätigkeiten, außer es kam zu einem Vertragsverstoß

Widerspruch gegen Ihr Arbeitszeugnis – Das richtige Vorgehen

Wer sein Arbeitszeugnis anfechten möchte, sollte dies zeitnah tun. In einigen Tarif- oder Arbeitsverträgen sind Fristen aufgeführt, die Arbeitnehmer für ihre Änderungsforderungen einhalten müssen. Davon abgesehen existiert keine allgemeine gesetzliche Frist, um ein Arbeitszeugnis anzufechten.

Ab sechs Monaten nach Erhalt des Dokuments gehen Gerichte aber regelmäßig davon aus, dass Arbeitgeber die Leistungen des Arbeitnehmers nicht mehr verlässlich beurteilen können. Anfechtungsklagen haben dann kaum noch Erfolgsaussichten.

In vielen Fällen ist es aber nicht nötig, Änderungen am Arbeitszeugnis vor Gericht einzuklagen. Der juristische Weg sollte immer die letzte Eskalationsstufe sein.

1. Schritt: Persönliches Gespräch

Zunächst sollten Arbeitnehmer das persönliche Gespräch mit ihrem Vorgesetzten suchen. Gerade wenn es um formale Fehler geht, werden Verantwortliche die Änderungen umgehend in Auftrag geben. Aber auch bei inhaltlichen Änderungswünschen stehen die Chancen gut, dass Arbeitnehmer mit einer nachvollziehbaren Argumentation ihre Vorgesetzten zum Einlenken bewegen können.

2. Schritt: Schriftliches Einfordern

Wenn es im Gespräch zu keiner Einigung kommt, sollten Arbeitnehmer ihre konkreten Änderungswünsche mit Begründung noch einmal schriftlich formulieren und sie ihrem Vorgesetzten zukommen lassen. Im Schreiben sollten sie eine Frist von 14 Tagen zur Nachbesserung setzen, um nach Ablauf der Frist weitere Schritte einleiten zu können.

3. Schritt: Zeugnis mit juristischer Hilfe anfechten

Lässt der Arbeitgeber die Frist zur Nachbesserung verstreichen, bleibt dem Arbeitnehmer noch der Weg, seinen Anspruch gegen das Arbeitszeugnis auf juristischem Weg durchzusetzen.

Zwei Personen sitzen vor einem Anwalt und diskutieren über Arbeitszeugnis.

Da ein schlechtes Arbeitszeugnis die berufliche Zukunft massiv behindern kann, sollten Arbeitnehmer nicht zögern, diesen Schritt zu gehen. Hier lohnt es sich in fast allen Fällen, juristische Hilfe einzuholen. Experten im Arbeitsrecht können im ersten Schritt eine Einschätzung dazu abgeben, ob das Arbeitszeugnis nicht den Anforderungen entspricht - und wie Arbeitnehmer am Besten vorgehen. Bei Bedarf können anschließend die entsprechenden juristischen Schritte eingeleitet werden, um das Zeugnis erfolgreich anzufechten. Wie die Erfolgschancen bei einer Zeugnisklage stehen, kann über einen Online-Check im SIEGFRIED CLUB geprüft werden.

Fazit: Recht auf Widerspruch gegen Arbeitszeugnis unbedingt wahrnehmen

Ein aussagekräftiges und gutes Arbeitszeugnis ist für das berufliche Vorankommen Gold wert. Fühlen sich Arbeitnehmer ungerecht beurteilt oder weist das Zeugnis fehlerhafte oder rechtlich unzulässige Angaben auf, sollten sie deshalb Widerspruch gegen ihr Arbeitszeugnis einlegen.

Häufig reicht bereits das persönliche Gespräch mit dem bisherigen Chef, um formale Fehler oder kleinere inhaltliche Änderungswünsche umsetzen zu lassen. Gelingt die Klärung nicht, sollten sich Arbeitnehmer von einem Anwalt beraten lassen: Wenn er zu der Einschätzung kommt, dass eine Zeugnisänderungsklage gute Erfolgsaussichten hat, sollten Arbeitnehmer diesen Schritt in Erwägung ziehen. Denn so unangenehm die Konfrontation mit dem Ex-Arbeitgeber vor Gericht ist, die beruflichen Nachteile, die durch ein ungerechtfertigt schlechtes Arbeitszeugnis entstehen, sind wesentlich unangenehmer.

Lassen Sie jetzt Ihre Situation im Rahmen einer kostenlosen Mitgliedschaft im SIEGFRIED CLUB prüfen.

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Juristische Prüfung durch Rechtsanwalt Philipp Franz
Dieser Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der SIEGFRIED-Redaktion erstellt und von Philipp Franz juristisch geprüft. Der Verbraucherschutz gehört zu seinen Fachgebieten, in denen er Mandanten erfolgreich vertritt.

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