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Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung: Das müssen Arbeitnehmer wissen

Rechtsanwalt Raffael Sauer

geprüft von Raffael Sauer
Rechtsanwalt für Verbraucher- und Arbeitsrecht

4. April 2022 um 10:55

Wenn Arbeitnehmer Straftaten begehen oder gegen vertragliche Pflichten verstoßen, steht unweigerlich die Kündigung bevor. Sollte der Arbeitgeber jedoch nur den Verdacht auf ein solches Verhalten haben, kann er eine sogenannte Verdachtskündigung aussprechen. Diese muss jedoch strenge Voraussetzungen erfüllen, damit sie rechtmäßig ist. Welche das sind und wie Arbeitnehmer gegen eine Verdachtskündigung vorgehen können, erfahren sie hier.

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Das Wichtigste in Kürze
  • Eine Verdachtskündigung kann der Arbeitgeber aufgrund des Verdachts auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung oder Straftat aussprechen.
  • Eine Verdachtskündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich - eine reine Vermutung reicht nicht aus.
  • Der Arbeitnehmer muss Gelegenheit bekommen, zu dem Verdacht Stellung zu nehmen.
  • Durch einen Online-Check im SIEGFRIED CLUB können Arbeitnehmer ihre Kündigung auf Wirksamkeit prüfen.

Was ist eine Verdachtskündigung?

Bei einer Verdachtskündigung handelt es sich - wie der Name schon sagt - um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines begründeten Verdachts einer Straftat oder Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Will der Arbeitgeber normalerweise ein Arbeitsverhältnis außerordentlich aus einem wichtigen Grund kündigen, muss er den Grund für die Kündigung nachweisen. Hat er jedoch den dringenden Verdacht, kann die Tat aber noch nicht beweisen, kommt die Verdachtskündigung in Betracht.

Diese ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine Verdachtskündigung ist nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen möglich. Da diese Art der Kündigung nicht durch ein Gesetz geregelt ist, muss letztlich das Arbeitsgericht entscheiden, ob sie wirksam ist oder nicht.

Das Gegenteil der Verdachtskündigung ist die Tatkündigung. Diese ist die klassische Form der Kündigung, bei der dem Arbeitgeber konkrete Beweise vorliegen, mit welchen er die Kündigung rechtfertigen kann.

Junge Frau sitzt in einer Anhörung wegen Verdachtskündigung.

Aus welchen Gründen ist eine Verdachtskündigung möglich?

Eine Verdachtskündigung ist nur aus Gründen möglich, für die auch eine fristlose Kündigung möglich wäre. Dies ist bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen oder bei Straftaten der Fall. Gründe für eine Verdachtskündigung können sein:

  • Diebstahl
  • Betrug
  • Belästigung
  • Verrat von Betriebsgeheimnissen

Das Verhalten, das dem Arbeitnehmer unterstellt wird, muss in jedem Fall so gravierend sein, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar wäre. Außerdem muss ein begründeter Verdacht bestehen, eine aus der Luft gegriffene Verdächtigung reicht nicht aus.

Wann ist eine außerordentliche Verdachtskündigung möglich?

Eine außerordentliche und damit fristlose Verdachtskündigung ist der Regelfall, da der Grund für eine Verdachtskündigung so schwerwiegend sein muss, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sofort entlassen kann.

Theoretisch ist jedoch auch eine ordentliche Verdachtskündigung möglich. Oftmals wird diese hilfsweise für den Fall ausgesprochen, dass der Arbeitgeber sich vor Gericht mit der außerordentlichen Verdachtskündigung nicht durchsetzen kann.

Tatkündigung und hilfsweise Verdachtskündigung

Arbeitgeber können auch eine Tatkündigung mit hilfsweiser Verdachtskündigung aussprechen. In der Praxis kann das vorkommen, wenn der Arbeitgeber zwar denkt, dass er die Tat des Arbeitnehmers beweisen kann, sich aber nicht ganz sicher ist. Kann er in einem Kündigungsschutzprozess keinen Beweis vorlegen, bleibt ihm als Rechtfertigung für die Kündigung noch die Verdachtskündigung.

Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung

Eine Verdachtskündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Diese sind:

  1. Schwerwiegender Tatverdacht: Das Fehlverhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtigt wird, muss gravierend sein und bei entsprechendem Beweis auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Es muss sich daher um eine schwere Pflichtverletzung oder eine Straftat handeln.
  2. Begründeter Tatverdacht: Es muss objektive Fakten für den Tatverdacht geben. Es muss nach eingehender Prüfung der Tatsachen fast sicher sein, dass der Arbeitnehmer die ihm unterstellte Tat begangen hat. Eine reine Vermutung reicht nicht aus.
  3. Versuch der Aufklärung: Der Arbeitgeber muss vor der Verdachtskündigung versuchen, den Sachverhalt aufzuklären. Das heißt, er muss Ermittlungen anstellen, um den Verdacht zu entkräften oder zu beweisen, also alle ihm zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen ausschöpfen. Außerdem muss er den betroffenen Mitarbeiter anhören und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Tut er dies nicht, ist eine Verdachtskündigung unwirksam.
  4. Interessenabwägung: Der Arbeitgeber muss seine Interessen und die des verdächtigen Mitarbeiters gegeneinander abwägen. Das bedeutet, der Arbeitgeber muss zu dem Schluss kommen, dass sein Interesse, das Arbeitsverhältnis zu beenden, größer ist als das des Mitarbeiters zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem muss der Arbeitgeber abwägen, ob es kein anderes und eventuell milderes Mittel als die Verdachtskündigung gibt.
  5. Anhörung des Betriebsrats: Bei einer Verdachtskündigung muss zwingend der Betriebsrat einbezogen werden. Diesem muss deutlich gemacht werden, dass die Kündigung aufgrund eines Verdachts ausgesprochen wird. Der Betriebsrat kann innerhalb von drei Tagen seine Bedenken gegen die Kündigung äußern.

Hält der Arbeitgeber sich an eine oder mehrere dieser Vorgaben nicht, ist die Verdachtskündigung unwirksam und der Arbeitnehmer hat gute Chancen, dagegen vorzugehen.

Muss vor der Verdachtskündigung eine Abmahnung erfolgen?

In der Regel muss der Arbeitgeber vor der Verdachtskündigung keine Abmahnung aussprechen. Zwar ist dies normalerweise bei einer Kündigung aufgrund eines Fehlverhaltens nötig, da der Mitarbeiter die Chance erhalten muss, sein Verhalten zu ändern. Jedoch handelt es sich im Rahmen einer Verdachtskündigung um besonders schwerwiegende Vergehen, aufgrund derer der Arbeitgeber sofort und ohne Abmahnung kündigen kann.

Fristen bei einer Verdachtskündigung

Bei einer Verdachtskündigung gilt eine Frist von zwei Wochen für den Arbeitgeber. Das heißt, er hat ab Kenntnis des Kündigungsgrundes zwei Wochen Zeit, um die fristlose Verdachtskündigung auszusprechen (§ 626 Abs. 2 BGB). In der Praxis ist es oft schwer festzustellen, wann der Arbeitgeber von dem Verdacht erfahren hat und wann die zweiwöchige Frist zu laufen beginnt. Er hat jedoch noch genügend Zeit, um “zügig” Ermittlungen anzustellen.

Auch für die Anhörung des Arbeitnehmers, gegen den sich die Verdachtskündigung richtet, gilt eine Frist von einer Woche. Erst wenn diese Ermittlungen abgeschlossen sind, beginnt die 2-Wochen-Frist zu laufen.

Auch für den Arbeitnehmer gibt es im Rahmen der Verdachtskündigung eine Frist: Hat er nämlich die Kündigung erhalten, hat er 21 Tage Zeit, um eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen.

Verdachtskündigung erhalten: So können Arbeitnehmer dagegen vorgehen

Wenn Arbeitnehmer eine Verdachtskündigung erhalten und dagegen vorgehen wollen, können sie eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht einreichen. Wie erwähnt haben sie dafür ab Erhalt der Kündigung 21 Tage Zeit. Dass Arbeitnehmer diese Frist einhalten, ist extrem wichtig: Denn ist sie einmal abgelaufen, ist eine Klage nicht mehr möglich und somit auch die Chance auf eine Abfindung oder Wiedereinstellung vertan.

In jedem Fall sollten Arbeitnehmer sich bei einer Verdachtskündigung anwaltlich beraten lassen, bestenfalls bereits vor der Anhörung. Sie können ihren Anwalt auch zur Anhörung mitnehmen.

Chef überreicht Mitarbeiterin eine Verdachtskündigung.

Fazit: Für eine Verdachtskündigung gelten strenge Regeln

Eine Verdachtskündigung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber an strenge Vorgaben hält. Daher stehen auch die Chancen nicht schlecht, dass Arbeitnehmer sich erfolgreich gegen eine Verdachtskündigung zur Wehr setzen können. Fühlt man sich unschuldig und zu Unrecht verdächtigt, sollte man daher schnell einen Anwalt aufsuchen. Gegebenenfalls können Arbeitnehmer so eine Abfindung für die unrechtmäßige Verdachtskündigung herausschlagen.

Ob eine Verdachtskündigung rechtmäßig und somit wirksam ist, kann z.B. durch den Online-Check im SIEGFRIED CLUB geprüft werden. Sollten Sie von einer unrechtmäßigen Kündigung betroffen sein, ist es zudem ratsam, Hilfe von Arbeitsrechtsexperten in Anspruch zu nehmen. Diese unterstützen Sie dann beim weiteren vorgehen und einer potenziellen Kündigungsschutzklage.

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Rechtsanwalt Raffael Sauer

Juristische Prüfung durch Rechtsanwalt Raffael Sauer
Dieser Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der SIEGFRIED-Redaktion erstellt und von Raffael Sauer juristisch geprüft. Sauer ist Rechtsanwalt bei der ProRights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Das Arbeitsrecht gehört dabei zu seinen Fachgebieten, in denen er Mandanten erfolgreich vertritt.

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