Arbeitnehmer haben sich im Betrieb an bestimmte Regeln zu halten. Tun sie das nicht, kann dies negative Konsequenzen haben. Verstöße gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag kann der Arbeitgeber zum Anlass für eine verhaltensbedingte Kündigung nehmen. Doch nicht immer ist diese rechtens. Was zu beachten ist, wenn eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt wird und was Gekündigte dagegen tun können, zeigt der folgende Artikel.
- Auch kleine Pflichtverstöße können eine Kündigung auslösen.
- Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur letztes Mittel: Zuvor sind mildere Maßnahmen zu ergreifen.
- Viele verhaltensbedingte Kündigungen sind unwirksam, daher sollten Arbeitnehmer ihre Kündigung z.B. durch einen Online-Check im SIEGFRIED CLUB prüfen lassen.
- Arbeitnehmer haben gegebenenfalls die Möglichkeit durch eine erfolgreiche Kündigungsschutzklage gegen eine verhaltensbedingte Kündigung vorzugehen.
- Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?
- Welche Pflichtverstöße können zur Kündigung führen?
- Abmahnung bei einer verhaltensbedingten Kündigung
- Ist eine verhaltensbedingte Kündigung anfechtbar?
- Was nun? Die wichtigsten Schritte nach Erhalt einer verhaltensbedingten Kündigung
- Fazit: Verhaltensbedingte Kündigung – alle Möglichkeiten ergreifen lohnt sich
Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?
Ein Arbeitnehmer kann gekündigt werden, wenn er sich einer Pflichtverletzung schuldig gemacht hat und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Die Kündigung wegen verhaltensbedingter Gründe ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung
Damit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtswirksam und zulässig ist, muss zunächst einmal das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) auf den Arbeitnehmer anwendbar sein. Das ist dann der Fall, wenn
- im Betrieb mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind UND
- der Arbeitnehmer länger als sechs Monate im Unternehmen beschäftigt ist.
Ist das KSchG anwendbar, genießt der Arbeitnehmer den Schutz des KSchG. Das bedeutet, dass eine Kündigung nur zulässig ist, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Das ist der Fall, wenn sie auf einen der drei akzeptablen Kündigungsgründe des KSchG gestützt werden kann:
- betriebsbedingte Kündigung
- krankheitsbedingte Kündigung
- Kündigung aus Gründen in der Person
Eine verhaltensbedingte Kündigung fällt unter die Kündigung aus sogenannten “Gründen in der Person” und ist damit grundsätzlich zulässig.
Zulässige Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung
Pflichtverstöße gegen Kunden, Kollegen oder den Arbeitgeber können eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Der Arbeitnehmer hat einen gravierenden Pflichtverstoß insbesondere dann begangen, wenn er durch sein Verhalten das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerrüttet oder den Betriebsfrieden nachhaltig gestört hat.
Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung
Die Rechtsprechung verlangt folgende Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung. Das Fehlen auch nur einer davon macht die Kündigung unwirksam:
- Vorliegen eines Pflichtverstoßes: der Arbeitnehmer hat in erheblicher Weise gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen.
- Rechtswidrigkeit des Pflichtverstoßes: das Verhalten war schuldhaft (also vorsätzlich oder fahrlässig) und es gibt keine Rechtfertigung für das Verhalten (z.B. Notwehr).
- Verhältnismäßigkeit der Kündigung: Es gibt kein milderes Mittel, um den Verstoß entsprechend zu ahnden (z.B. Abmahnung oder Versetzung).
- Interessenabwägung: Die Interessen von Arbeitnehmer (an der Weiterbeschäftigung) und Arbeitgeber (an der Kündigung) müssen gegeneinander aufgewogen werden.
Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann wirksam, wenn sie sozial gerechtfertigt ist. Es ist daher eine umfassende Interessensabwägung vorzunehmen. Dabei sind insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
Zugunsten des Arbeitgebers: Wurde der Betriebsfrieden erheblich gestört? Wie schwer wiegt das negative Beispiel für Kollegen? Ist eine Gefährdung von Personen zu erwarten?
Zugunsten des Arbeitnehmers: Alter des Arbeitnehmers, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Dauer der Betriebszugehörigkeit, nur geringer und/oder einmaliger Verstoß, Unterhaltspflichten.
Ist nach sorgfältiger Abwägung dem Arbeitgeber die Belastung durch das Verhalten des Arbeitnehmers nicht zumutbar, kann er sozial gerechtfertigt kündigen.
Welche Pflichtverstöße können zur Kündigung führen?
Beispiele für Pflichtverstöße, die zu einer verhaltensbedingte Kündigung führen, finden sich insbesondere in folgenden Bereichen:
Leistungsbereich
- Mangelnde Arbeitsleistung: Menge und/oder Qualität der Arbeit ist schlechter als bei den Kollegen
- verspätete Krankmeldung
- Unpünktlichkeit: kommt sie einer Arbeitsverweigerung gleich, ist sogar eine fristlose Kündigung möglich.
- Minusstunden über längeren Zeitraum: eine vorherige Abmahnung ist erforderlich.
- Private Nutzung von E-Mail und Internet: wenn ausdrücklich verboten.
- Tätlicher Angriff: verhaltensbedingte Kündigung ist auch ohne Abmahnung möglich, schon ein einmaliger Vorfall genügt, auch geringe Tätlichkeiten (Schubsen) rechtfertigen eine Kündigung – sogar fristlos.
Vertrauensbereich
- Betrug, Diebstahl, Untreue: eine fristlose Kündigung ist möglich, im Einzelfall kann eine verhaltensbedingte Abmahnung als milderes Mittel ausreichend sein. Es gibt keine Bagatellgrenze, Verfahren wurden schon wegen € 1,30 geführt!
- Verdacht einer Straftat: wenn „erdrückende Tatsachen“ vorliegen, die auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
- Arbeitszeitbetrug: ist bereits in geringfügigem Ausmaß ein Kündigungsgrund, im Zweifel ist eine Abmahnung erforderlich.
Störung der betrieblichen Ordnung
- Verhalten gegenüber Kollegen oder Kunden: etwa sexuelle Belästigung, Mobbing, rassistische Ausfälle, Beleidigungen.
- Alkohol am Arbeitsplatz: auch hier ist eine Abmahnung erforderlich.
- mehrfache Gehaltspfändungen: wenn der Arbeitgeber erheblichen Mehraufwand tragen muss.
Wann sind Pflichtverstöße rechtswidrig und schuldhaft?
Bei all diesen Verstößen wird gesetzlich vermutet, dass sie rechtswidrig und schuldhaft begangen wurden. Der Arbeitnehmer kann aber spätestens bei der Kündigungsschutzklage vor Gericht das Gegenteil beweisen. Hat er gerechtfertigt – und damit nicht rechtswidrig - gehandelt (z.B. in Notwehr) oder traf ihn kein Verschulden, so ist die Kündigung unwirksam.
Wann ist eine Kündigung verhältnismäßig?
Selbst wenn der Pflichtverstoß rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde, so ist die verhaltensbedingte Kündigung nur dann gerechtfertigt, wenn sie auch verhältnismäßig war.
Verhältnismäßig ist sie, wenn kein gelinderes Mittel – etwa eine Abmahnung - zur Verfügung steht, um derartige Pflichtverletzungen in Zukunft zu verhindern. Wiederholt der Arbeitnehmer ein bereits abgemahntes Verhalten, ist die Kündigung zulässig.
Abmahnung bei einer verhaltensbedingten Kündigung
Der Kündigung geht im Regelfall eine förmliche Abmahnung voraus. Damit bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers nicht billigt und eine Verhaltensänderung verlangt.

Ziel ist die (dauerhafte) Beseitigung der Störung. Kann diese Störung jedoch auch durch andere - mildere - Mittel behoben werden, sollten diese eingesetzt werden.
Kündigung ohne vorherige Abmahnung – geht das?
Ist die Pflichtverletzung gravierend oder ist keine Änderung des Verhaltens zu erwarten, kann im Einzelfall auf die förmliche Abmahnung verzichtet werden. Dies ist etwa bei Pflichtverstößen der Fall, die eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen oder wenn der Arbeitnehmer zukünftige Verstöße bereits ankündigt.
Was gilt als Abmahnung?
Nicht jede Ermahnung des Arbeitgebers ist eine „Abmahnung“, zur Rechtswirksamkeit muss sie folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Der Arbeitgeber muss das Fehlverhalten detailliert beschreiben. Datum und Uhrzeit des Verstoßes muss er konkret benennen. Pauschale Vorwürfe („kommt immer zu spät!“) taugen daher nicht als Abmahnungen.
- Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer deutlich zu verstehen geben, dass er einen Vertragsverstoß begangen hat und ihn auffordern, das Verhalten künftig zu unterlassen.
- Ebenso muss deutlich werden, dass er im Wiederholungsfalle mit Kündigung rechnen muss.
Mit der Abmahnung schafft der Arbeitgeber bereits eine Voraussetzung für eine Kündigung. Daher nicht ignorieren und möglichst Beratung in Anspruch nehmen. War die Abmahnung unbegründet oder unwirksam, die Löschung der Abmahnung aus dem Personalakt verlangen!
Welche Fristen gelten bei der verhaltensbedingten Kündigung?
Für die anzuwendenden Fristen ist relevant, welche Art der Kündigung ausgesprochen wurde. Bei einer ordentlichen Kündigung kommen die jeweiligen (gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder individuell vereinbarten) Kündigungsfristen zur Anwendung.
Unter bestimmten Umständen kann aber auch eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden, die das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung, also „fristlos“ beendet.
Für eine solche fristlose Kündigung ist ein „wichtiger Grund“ nötig, der die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar macht. Beispiele dafür sind etwa Vermögensdelikte im Betrieb, tätliche Angriffe, sexuelle Belästigungen, Arbeitszeitbetrug, aber auch ungerechtfertigtes Krankfeiern.
Die fristlose Kündigung muss binnen zwei Wochen nach Kenntnis des Fehlverhaltens erklärt werden.
Ist eine verhaltensbedingte Kündigung anfechtbar?
Der Kündigungsschutz macht´s möglich: Eine Kündigung kann an bestimmten formalen bzw zwingenden Vorgaben scheitern, etwa wenn:
- Im Betrieb ein Betriebsrat besteht und dieser zur Kündigung weder ausreichend informiert noch angehört wurde, was nach § 102 Abs 1 BetrVG erforderlich gewesen wäre.
- Der Arbeitnehmer Angehöriger einer besonders geschützten Gruppe ist:
- Betriebsratsmitglieder: Die Kündigung ist nur erschwert möglich. Nach § 103 BetrVG ist eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung überhaupt ausgeschlossen.
- Schwangere: Nach § 17 Mutterschutzgesetz (MuschG) ist die Zustimmung der obersten Landesbehörde für den Arbeitsschutz erforderlich.
- Schwerbehinderte: Erst nach Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und Zustimmung des Integrationsamtes möglich.
Was nun? Die wichtigsten Schritte nach Erhalt einer verhaltensbedingten Kündigung
Arbeitslosengeld - bei verhaltensbedingter Kündigung droht Sperrfrist
Wird eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen und dagegen nicht rechtzeitig Klage erhoben, geht die Agentur für Arbeit von der Rechtmäßigkeit der Kündigung aus. Es droht eine Sperrfrist von 12 Wochen, da der Arbeitnehmer - aus Sicht der Behörde - die Arbeitslosigkeit selbst verschuldet hat.
Kündigungsschutzklage – so können sich Arbeitnehmer wehren
Zuerst sollte der Arbeitnehmer für sich abklären, ob er gegen die Kündigung vorgehen will.
Falls ja, muss innerhalb der Drei-Wochen-Frist geklagt werden, ansonsten wird die Kündigung rechtswirksam – was dann kaum noch zu ändern ist. Wurde die Klagefrist versäumt, ist eine Kündigungsschutzklage so gut wie aussichtslos und damit auch die Chance auf eine Abfindung im Wege eines Vergleichs.
Man geht kein Risiko ein, wenn Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung oder Gewerkschaft gewährt wird. Wenn Sie nur über ein geringes Einkommen verfügen, besteht außerdem die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe durch den Staat.
Falls man auf eigenes Risiko klagen muss, sollte man sich vorher beraten lassen. Die eigenen Anwaltskosten sind selbst zu tragen, bei Klageverlust auch noch die Gerichtskosten.
Auch wenn Sie (noch) keinen Kündigungsschutz nach KSchG genießen (z.B. innerhalb der 6-monatigen Probezeit oder Beschäftigung in einem Betrieb mit weniger als 10 Arbeitnehmern, kann grundsätzlich die Kündigungsschutzklage erhoben werden. Die kurze Drei-Wochen-Frist gilt aber auch in diesem Fall!
Fazit: Verhaltensbedingte Kündigung – alle Möglichkeiten ergreifen lohnt sich
Mit der verhaltensbedingten Kündigung macht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Pflichtverstöße zum Vorwurf, die es ihm unmöglich machen, den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen.

Es gelten dafür aber strenge Kriterien, nicht jede verhaltensbedingte Kündigung hält vor Gericht stand. Denn wenn gewisse Voraussetzungen fehlen, ist die Kündigung unwirksam.
Arbeitnehmer sollten die verhaltensbedingte Kündigung daher unbedingt nach Erhalt auf deren Wirksamkeit prüfen lassen. Der Online-Check im SIEGFRIED CLUB kann hierbei Klarheit schaffen. Sollte die Kündigung nicht rechtmäßig und somit anfechtbar sein, gibt es für den Arbeitnehmer nur wenige Nachteile, die ihn von der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhalten könnten. Dennoch ist es ratsam sich in einem solchen Fall die Unterstützung von speziellen Arbeitsrechts-Experten einzuholen.

Juristische Prüfung durch Rechtsanwalt Raffael Sauer
Dieser Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der SIEGFRIED-Redaktion erstellt und von Raffael Sauer juristisch geprüft. Sauer ist Rechtsanwalt bei der ProRights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Das Arbeitsrecht gehört dabei zu seinen Fachgebieten, in denen er Mandanten erfolgreich vertritt.